Was ist das 9-Box-Grid?
Das 9-Box-Grid ist ein Modell, das die Leistungsbewertung und die Potenzialanalyse von Mitarbeiter:innen zusammenfasst, damit sie für das Talentmanagement und die Nachfolgeplanung genutzt werden können.
Für strategische Entscheidungen im Talentmanagement braucht man Kenntnis darüber, welche Leistungen Mitarbeiter:innen bringen und welches Potenzial sie haben.
Die Matrix aus 3 mal 3 Feldern setzt Leistung und Potenzial zueinander in Bezug und ist visuell leicht zu erfassen.
Die Entwicklung des Modells wird verschiedenen Menschen bzw. Organisationen zugeschrieben, von Al Gore über das Beratungsunternehmen McKinsey bis zum US-amerikanischen Konzern GE. Es wird etwa seit den 1970er Jahren angewendet und in Variationen weiterentwickelt, z. B. mit mehr als neun Feldern oder unterschiedlichen Bezeichnungen der Felder.
Das klassische 9-Box-Grid wird oft anders bezeichnet: 9-Box-Raster, 9-Box-Matrix, 9-Box-Modell, Leistungs-Potenzial-Matrix oder Talent-Matrix. Die Matrix weist jeweils drei Stufen entlang der X- und der Y-Achse auf (niedrig, mittel, hoch). Aus dieser drei-mal-drei-Einteilung ergibt sich das Raster mit neun Feldern.
Wie funktioniert die 9-Box-Matrix?
Alle Mitarbeiter:innen einer Organisationseinheit werden entsprechend ihrer Leistung in der aktuellen Rolle und ihrer Potenzialanalyse in die neun Felder der Matrix eingeteilt. Im Rahmen einer Besprechung zur Mitarbeiterlage (People Review) hilft die Matrix Führungskräften auch team- oder abteilungsübergreifend, schnell einen Überblick über die vorhandenen Talente zu gewinnen und über Maßnahmen zu entscheiden, z. B. Mitarbeiter:innen zu entwickeln, zu befördern, umzubesetzen oder extern zu rekrutieren.
Das 9-Box-Grid muss in das Talentmanagement sinnvoll und strukturiert eingebunden sein. Nur so können Führungskräfte z. B. auf Ergebnisse aus Mitarbeitergesprächen oder Potenzialanalysen zurückgreifen, um ihre Mitarbeiter:innen in der Matrix einzuordnen.
Um die Einteilung der Mitarbeiter:innen noch griffiger vorzunehmen, kursieren für die verschiedenen Felder diverse Bezeichnungen. Einige dieser Begriffe wirken persönlich wertend. Daher ist es ideal, wenn Sie Bezeichnungen auswählen oder selbst erfinden, die zu Ihrer Unternehmenskultur, Ihren Mitarbeiter:innen und Ihrer Feedbackkultur passen. Mehr dazu lesen Sie weiter unten im Punkt „Was sind die Nachteile und Grenzen des 9-Box-Grids?“.
Schnell ist ersichtlich, welche der Felder für das Unternehmen attraktiv und für die Mitarbeiter:innen motivierend sind: Personen, die oben rechts eingruppiert werden, versprechen das größte Entwicklungspotenzial für die höchsten Posten. Personen unten links zeigen weder konstante Leistung noch Entwicklungspotenzial. Idealerweise sollte für jedes Feld eine Strategie dafür vorhanden sein, wie man mit den Mitarbeiter:innen darin umgehen wird.
Vorteile des 9-Box-Grids
Das 9-Box-Grid kann in der Gruppe eingesetzt werden und überzeugt vor allem durch die visuelle Klarheit.
Übersicht – Vorteile des 9-Box-Grids:
Einfach anzuwenden: Lässt sich leicht aufstellen und wiederholen, um Veränderungen und Fortschritte abzulesen.
Intuitiv: Die Matrix ist visuell sehr leicht zu erfassen.
Überblick: Ermöglicht die vergleichende Bewertung von Mitarbeiter:innen in Bezug auf Leistung und Potenzial.
Austausch wird gefördert: Erleichtert transparente Gespräche über die Mitarbeiterlage.
Öffnet die Perspektive, verhindert Alleingänge von Manager:innen: Talente werden team- oder abteilungsübergreifend erkannt und da eingesetzt, wo sie aus Unternehmenssicht gut einsetzbar sind.
Transparenz: Die Bewertungen von Talent und Leistung können offen hinterfragt und in der Gruppe feinjustiert werden.
Unterstützt das Talentmanagement: Leichtere Planung von Nachfolge und Entwicklung von Mitarbeiter:innen, leichtere Entscheidungen bezüglich Fordern, Fördern und Befördern.
Vielseitig einsetzbar, z. B. für einen allgemeinen Überblick über die Mitarbeiterlage, für die Nachfolgeplanung für eine konkrete Position oder für die Talententwicklung von potenziellen Führungskräften.
Wiegt Leistung und Talent auf: Der Fokus liegt nicht nur auf der bisherigen Leistung, sondern ergänzt diese gleichgewichtet mit Vorhersagen über zukünftige Leistungen.
Mithilfe des 9-Box-Grids lässt sich planen, in welche Mitarbeiter:innen investiert werden sollte. Nachdem die Mitarbeiter:innen im Dialog von Führungskräften und Personalabteilung den Feldern zugeordnet wurden, kann man wiederum den Feldern konkrete Maßnahmen aus den Bereichen Entwickeln, Fordern, Beobachten oder Umbesetzen/Kündigen zuordnen.
Generell gilt, dass Mitarbeiter:innen mit durchschnittlicher Leistung gehalten werden sollten. Maßnahmen gilt es so anzusetzen, dass die Leistung mindestens beibehalten wird. Mitarbeiter:innen mit hohem Potenzial können gefördert werden (Mentoring, Coaching, Fortbildungen, neue Aufgaben etc.). Mitarbeiter:innen, die hohe Leistung bringen und hohes Potenzial besitzen, sollten befördert werden und kommen bald für Führungspositionen infrage.
Für Mitarbeiter:innen mit niedriger Leistung und niedrigem Potenzial kommt ein Mitarbeiterentwicklungsplan infrage, aber auch eine Entlassung oder ein Wechsel in andere Aufgabenbereiche können nötig sein. Bevor solche Schritte erwogen werden, ist darauf zu achten, ob die Person überhaupt schon die Chance hatte, sich zu beweisen, oder beispielsweise noch in der Einarbeitungsphase ist.
Viele Unternehmen gehen davon aus, dass Potenzial bei niedriger Leistung nichts wert ist. Entsprechend unterschiedlich entscheiden Firmen, welche Mitarbeiter:innen wirklich entwickelt werden. Überlegen Sie frühzeitig, ob Sie eine Strategie entwickeln möchten, die alle Mitarbeiter:innen abholt.
Wie erstellt man ein 9-Box-Grid?
Vorteilhaft ist es, wenn das 9-Box-Grid nicht von einer Führungskraft allein angewendet wird, sondern wenn beispielsweise eine Führungskraft, deren Führungskraft und mindestens ein:e Vertreter:in der Personalabteilung gemeinsam mit der Matrix arbeiten. So wird das Vorgehen objektiver und transparenter und es wird vermieden, dass Führungskräfte Talente aus ihrem Team vor anderen verbergen, um sie zu halten.
In der Gruppe werden zunächst die Kriterien für Leistung und Potenziale festgelegt, z. B. mit Blick auf bald zu besetzende Positionen oder neu aufzubauende Teams.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf der Potenzialanalyse liegen, da diese naturgemäß stark spekulativ ist: Sie richtet sich immer auf die Zukunft, sollte aber so wenig wie möglich rein subjektive Annahmen enthalten. Sollte eine methodische Potenzialanalyse nicht möglich sein, sollten doch so viele Blickwinkel wie möglich einbezogen werden, d. h. Feedback aller Anwesenden sowie eine Selbsteinschätzung des:der Mitarbeiter:in.
Bei der Zuordnung der Mitarbeiter:innen in die Felder tauschen sich die Anwesenden aus und überarbeiten gemeinsam die erste Einschätzung. Erst nachdem alle Mitarbeiter:innen besprochen und miteinander verglichen wurden, ist es möglich, eine (vorerst) definitive Einteilung vorzunehmen.
Anwendung des 9-Box-Grids, Schritt für Schritt:
1. Definition der Kriterien bzw. der Leistungs-/Potenzialziele, passend zu konkreten Aufgaben, Funktionen, Führungsebenen oder Zielpositionen. Diese sollten wiederum zur langfristigen Unternehmensstrategie passen.
2. Bewertung / Einschätzung von Leistung und Potenzial: Als Basis dienen z. B. Ergebnisse von Mitarbeiterbewertungen, Arbeitsergebnisse, Potenzialanalysen oder Potenzialeinschätzungen.
3. Einordnung der Mitarbeiter:innen auf der Matrix, im Kontext der Gruppe betrachtet und mit Blick auf die (Unternehmens-)Ziele.
4. Strategien ableiten, Maßnahmen festlegen: Fördern oder Fordern, Motivieren, Feedback geben, Befördern, Umbesetzen, Rekrutieren, Zeitpläne und Entwicklungsziele festlegen.
5. Feedback: Möglichst konstruktiv und für alle Mitarbeiter:innen.
6. Den Prozess regelmäßig wiederholen, um den Erfolg der Strategien bewerten zu können bzw. Veränderungen in der Matrix frühzeitig begleiten zu können.
1. Bewertung des Mitarbeiterpotenzials
Aussagekraft: Von der subjektiven Einschätzung einer einzelnen Führungskraft über die Diskussion in der Gruppe bis hin zu umfassenden Potenzialanalysen ist alles möglich. Damit unterliegt die Aussagekraft großen Schwankungen.
Kriterien und Indikatoren für Potenzial sind z. B., dass Mitarbeiter:innen aktiv nach Fortbildungen fragen oder den Wunsch äußern, aufzusteigen. Doch so übersehen Sie vielleicht Talente, die (noch) zurückhaltender sind, z. B. weil sie neu sind oder Diskriminierungserfahrungen gemacht haben.
Potenzialanalyse: Werden die Faktoren einer Potenzialanalyse (latente und leicht entwickelbare Kompetenzen, Lernpotenzial und Potenzialkatalysatoren) zu einem Durchschnittswert verrechnet – oder sind bestimmte Faktoren für die Zielsetzung entscheidender?
Methodische Unschärfen: Sind alle relevanten Daten in die Potenzialbewertung eingeflossen, z. B. bestimmte Vorerfahrungen? Wie wird abgebildet, ob der Mensch wirklich für die Stelle zur Verfügung steht? Die Vermischung der Faktoren „Potenzial“ und „Zeit bis zur Entfaltung des Potenzials“ kann die Ergebnisse verzerren und die Definition von Maßnahmen erschweren.
Innere Logik des Modells/Unternehmensphilosophie: Können Leistung und Potenzial überhaupt gleichwertig in Relation gesetzt werden, wenn aus Unternehmenssicht Leistung höher bewertet wird als Potenzial?
2. Bewertung der Leistung:
Aussagekraft: Die Leistung in aktuellen Aufgaben sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, wie eine Person andere Aufgaben bewältigen wird. Hier kommt es stark darauf an, dass die zuerst definierten Bewertungskriterien wirklich zur Fragestellung passen.
Einheitliche Erhebung: Wird die Leistung unternehmensweit einheitlich gemessen, sodass die Werte überhaupt in Bezug gesetzt werden können? Wird hier nur das Urteil der:des direkten Vorgesetzten herangezogen oder wird eine breitere Einschätzung eingeholt?
Zeitrahmen: Wird ein Durchschnitt der letzten Jahre genutzt oder nur das Ergebnis der letzten Bewertung? Es besteht die Gefahr, dass entweder aktuelle Tendenzen nicht berücksichtigt oder aktuelle Leistungsschwankungen zu stark abgebildet werden.
Was ist Leistung? Ist es zulässig, z. B. aus objektiv messbaren Arbeitsergebnissen und Sozialkompetenz einen Durchschnittswert zu bilden? Wenn nicht – ist es hilfreich, diese Faktoren ganz auszublenden? Oder ist Sozialkompetenz eventuell sogar wichtiger für die zukünftig zu besetzende Führungsposition? Werden Soft Skills als „Leistung“ oder als „Potenzial“ abgebildet?
3. Schubladendenken:
Motivation: Bezeichnungen wie „Schlechte Neueinstellung“ sind demotivierend. Auch eine Positionierung ganz in der Mitte kann demotivieren, obwohl solche Mitarbeiter:innen das Rückgrat von Unternehmen bilden. Versuchen Sie, für alle Perspektiven aufzuzeigen.
Feedback: Manche Firmen legen aus Sorgen um die Motivation die Ergebnisse nicht offen. Doch Sie können wertende Bezeichnungen oder den direkten Vergleich mit anderen Teammitgliedern vermeiden und den Fokus auf konkrete Entwicklungsziele legen. Mitarbeiter:innen sollten die Möglichkeit erhalten, ihr Selbstbild mit Ihrem Fremdbild abzugleichen und zu reagieren.
Individuelle Chancen: Wer sich im Feld unten links wiederfindet, ist vielleicht nur ein unbemerkt „falsch eingesetztes Talent“. Daraus die falschen Maßnahmen abzuleiten oder gar keine zu ergreifen, kann Menschen unberechtigterweise ausbremsen.
Firmenkultur und Vorurteile: Bleiben Ihre Mitarbeiter:innen dauerhaft in ihren Feldern „stecken“, weil sich niemand mehr von dem einmal gefällten Urteil lösen kann? Eine objektive Methodik und Chancengleichheit in den Maßnahmen kann allen Mitarbeiter:innen vermitteln, dass sie im Unternehmen gebraucht und geschätzt werden.